Offener Brief

Als Reaktion auf die Regionalplan Neuaufstellung erfolgte folgender offene Brief im Namen aller beteiligten BI’s:

Offener Brief vom 02.04.2021

An den Vorsitzenden des Regionalrats Herr Hermann-Josef Droege
c/o Bezirksregierung Arnsberg, Seibertzstraße 1, 59821 Arnsberg


Sehr geehrter Herr Droege,

der Entwurf des neuen Regionalplans für den Regierungsbezirk Arnsberg -Räumlicher Teilplan Märkischer Kreis, Kreis Olpe, Kreis Siegen Wittgenstein kann seit dem 29.01.2021 eingesehen werden. Die Auslegungsfrist und damit die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen soll bereits am 30. Juni 2021 enden.

Wir fordern den Regionalrat auf, die Auslegungsfrist im Hinblick auf die seit Monaten, aktuell und bis auf Weiteres geltenden Beschränkungen der politischen Betätigung infolge der Corona-Schutzmaßnahmen auszusetzen oder bis nach der Pandemie zu verlängern.

Die staatlich angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen machen es uns als Bürgerinitiativen, die an der politischen Meinungsbildung mitwirken, nahezu unmöglich, die betroffene Bevölkerung über die sehr weitgreifenden Auswirkungen des Regionalplans zu unterrichten, darüber in Veranstaltungen öffentlich zu debattieren und adäquate politische Maßnahmen (Infostände, Demonstrationen, Haustürgespräche, Unterschriftensammlungen etc.) durchzuführen. So sind große Teile der Bevölkerung, die nicht über die sozialen Medien und das Internet verfügen, für uns überhaupt nicht erreichbar. Die ohnehin nicht allen Bewohnern zugänglichen Printmedien und die Radio- bzw. TV-Anstalten berichten so gut wie nichts über die jeweiligen lokalen Auswirkungen des Planentwurfs und können somit den Total-Ausfall der üblicherweise im zivilgesellschaftlichen Bereich stattfindenden politischen Meinungsbildung nicht kompensieren.

Zwar hat der Regionalrat die gesetzliche Mindestfrist für die Auslegung bereits verlängert. Offenbar war im Dezember 2020 aber nicht übersehbar, dass während der gesamten Auslegungsfrist ein Lockdown angeordnet sein würde. Der Regionalrat darf nicht zulassen, dass die Pandemie bedingt nur sehr eingeschränkt mögliche Ausübung der Grundrechte das Ergebnis der Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Aufstellungsverfahren für den Regionalplan für die Teilregion massiv verfälscht. Denn das wäre das drohende Resultat, wenn die Planung ohne Rücksicht auf die geschilderten außergewöhnlichen Umstände und den faktischen Ausschluss eines Teils der betroffenen Bevölkerung an der Erarbeitung einfach fortgesetzt würde.

Die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Öffentlichkeit folgt aus der europarechtlich garantierten Pflicht des Staates, die Belange der Bürger auch im Hinblick auf strategische Pläne mit Auswirkungen auf die Umwelt – wie etwa einem Regionalplan – zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen. Die Aarhus-Konvention, der Deutschland beigetreten ist, fordert, dass derartige Planungsprozesse für die betroffene Bevölkerung in jeder Hinsicht transparent gemacht werden. Beide Zwecke der Öffentlichkeitsbeteiligung können aufgrund der Pandemie bedingten Erschwernisse nicht oder nur sehr eingeschränkt erreicht werden.  Damit besteht das Risiko, dass der Regionalplan einer späteren gerichtlichen Überprüfung schon wegen der Verletzung der Beteiligungsrechte der Bevölkerung aufgrund der vom Staat eingeschränkten Grundrechtsausübung voraussichtlich nicht standhalten wird.

Angesichts der Auswirkungen der Planung des Regionalrats allein im Hinblick auf die Ausweisung von Windenergiebereichen (WEB) für über 1.300 Windradgiganten bis zu einer Höhe von jeweils 250 m in den drei Landkreisen muss man die Frage aufwerfen, ob es nicht besser gewesen wäre, überhaupt mit der Auslegung bis nach der Pandemie zu warten. Denn der Regionalrat Arnsberg war nicht daran gehindert, den Entwurf zunächst im Rahmen einer vorgezogenen Bürgerbeteiligung zu veröffentlichen und erst nach Auswertung der Stellungnahmen einen Erarbeitungsbeschluss über einen überarbeiteten Entwurf zu fassen. Eine solche vorgezogene Information der Öffentlichkeit ist jedenfalls im Regierungsbezirk Köln sehr erfolgreich hinsichtlich des Teilplans Rohstoffgewinnung praktiziert worden.  Dass die Betroffenen nicht wie hier gewissermaßen überfallartig mit dem Entwurf der Regionalplanung konfrontiert werden müssen, lässt das Landesplanungsgesetz jedenfalls zu.

Es würde unser Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben, wenn sich der Eindruck durch eine etwaige Ablehnung unserer Forderung verfestigt, dass das Land, für das der Regionalrat hier steht, seine eigene sehr stark in die  Belange der Bürgerinnen und Bürger auf körperliche Unversehrtheit und  Eigentum eingreifende Planung unter Ausnutzung der von ihm selbst gelegentlich der Pandemiebekämpfung angeordneten Grundrechtseinschränkungen um jeden Preis formal „durchzubringen“ beabsichtigt, indem der Regionalrat darauf spekuliert, dass die Betroffenen so ihren Unmut nicht so zahlreich wie unter normalen Bedingungen artikulieren können.

Eine Aussetzung des Erabeitungsverfahrens für den Regionalplan und eine Wiederholung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Aufhebung der Pandemieschutzmaßnahmen wäre angesichts der offenen Prognosen über die voraussichtliche Dauer dieser Maßnahmen eine wahrhaft bürgerfreundliche und sachlich angemessene Reaktion.

Wenn Sie dies wünschen sollten und möglich machen könnten, stehen wir Ihnen gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Reißner                                                                         Frank Dubberke